Die politischen, gesellschaftlichen und medialen Meinungsführer müssen einen anderen Zugang in die Herzen und Hirne der Menschen finden.
Es handelt sich um drei kürzlich publizierte Umfragen. Sie sind völlig unterschiedlich in ihrer Fragestellung. Doch sie hängen enger zusammen, als unseren Entscheidungsträgern und Meinungsführern lieb sein kann. Die erste dieser Umfragen, die vergangenen Mittwoch veröffentlicht wurde, besagt: In keinem anderen Land der EU gibt es so wenige Menschen, die der EU etwas Positives abgewinnen können, als in Österreich – und klarerweise auch umgekehrt: Nirgendwo ist die Zahl jener, die die Mitgliedschaft in der Union negativ bewerten, größer als in Österreich. Soweit der europaweit durchgeführte Eurobarometer.
Die zweite Umfrage- sie stammt aus dem österreichweit durchgeführten Integrationsbarometer – belegt, dass die Themen Integration und politischer Islam zu den größten Sorgen der Österreicher zählen. Noch mehr Sorgen bereitet den Österreichern laut dieser Umfrage nur die Inflation, aber die ist hoffentlich bald vorbei. Die Integrationsprobleme und die Gefahr durch radikalisierte Islamisten hingegen bleiben. Womit auch diese Thema auf der politischen Agenda bleiben.
Die dritte Umfrage ist keine solche, sondern ein ganzes Bündel davon, durchgeführt von diversen Meinungsforschungsinstituten. Jede dieser Umfragen der vergangenen Monate zeigte die FPÖ in der sogenannten Sonntagsfrage auf Platz eins. Und deren Parteichef Herbert Kickl in der sogenannten Kanzlerfrage ebenfalls auf Platz eins, weit vor dem amtierenden Bundeskanzler und sämtlichen sonstigen Parteichefs.
Die drei Untersuchungsergebnisse lassen nur einen Schluss zu: Erschreckend große Teile der politischen Meinungsführer, der gesellschaftlichen Meinungsführer und wohl auch der Meinungsführer in den Medien haben ihren Kontakt zum – und ihren Einfluss auf – einen erschreckend großen Teil des Publikums verloren. Allzu viele Menschen glauben den Politikerinnen und Politikern nicht mehr, wenn sie die Vorteile der europäischen Integration predigen (sofern sie das überhaupt tun und nicht etwa, was sehr beliebt ist, Brüssel für alles haftbar machen, was hierzulande schief läuft). Allzu viele Menschen glauben den Politikern und den einschlägigen NGOs von der Caritas abwärts nicht mehr, wenn sie nach dem merkelschen Motto “Wir schaffen das” erklären, dass der massenhafte Zuzug aus fremden Kulturen doch überhaupt kein Problem darstelle. Und allzu viele Menschen glauben den Fernsehexperten und Zeitungskommentatoren nicht mehr, wenn sie verkünden, dass eine Kanzlerschaft der FPÖ das Ende der Demokratie einläuten würde.
Auch aus dieser Erkenntnis ist nur ein Schluss zu ziehen: Die politischen, gesellschaftlichen und medialen Meinungsführer müssen einen anderen Zugang in die Herzen und Hirne des Publikums finden. Und zwar gilt das für die Meinungsführer von Brüssel über Wien und Salzburg bis hinein in die kleinste Gemeindestube, in die Schulklasse und auch in manch Redaktionszimmer.
Pech nur, dass das nicht ganz so einfach ist, wie es sich hier hinschreibt. Denn es geht nicht nur um eine bürgernähere Kommunikation. Es geht nicht nur darum, dass die besagten Meinungseliten die Sorgen der Leute ernst nehmen, statt diese von oben herab zu belehren. Es geht um weit mehr. Nämlich um eine Politik, die den Menschen die Sicherheit gibt, dass die vorhandenen Probleme gelöst werden, anstatt sie jahrelang nur anzumoderieren.
Eine solche Politik wird derzeit schmerzlich vermisst: Egal, ob sich der Blick zur laufenden Klimakonferenz wendet oder zu den vielfältigen Versuchen der EU, die illegale Migration auch nur einigermaßen in den Griff zu kriegen: Nirgendwo ist eine Lösung der Probleme in Sicht. Die globalen Emissionen und die globale Temperatur steigen weiter, mögen die Klimagipfler noch so viel Papier und Flugzeugabgase produzieren. Die internationale Wanderbewegung nimmt an Dynamik zu, mögen sich die Innenminister in Brüssel auch noch so oft zu Verbalbekenntnissen durchringen. Und auch die vergleichsweise überschaubaren Probleme in Österreich – als Stichworte mögen die Pensionen, die Energieversorgung inklusive Netzausbau, die Defizite in der Bildung dienen – werden nicht energisch einer Lösung zugeführt, sondern von einer Regierung an die nächste weitergereicht. So gewinnt man kein Vertrauen, so verliert man Umfragen. Und Wahlen, deren im kommenden Jahr einige bevorstehen. Die etablierten Parteien können sich warm anziehen.
Übrigens hat auch Herr Kickl für keines der genannten Probleme eine Lösung. In einigen der Themenfelder ist er sogar höchstpersönlich das Problem. Aber derlei hat, wie die Erfahrung lehrt, dem Anführer einer Protestpartei noch nie geschadet.